Da in den überwiegenden Fällen eine Sexualstörungen immer beide Partnerteile betreffen, ist somit die Sexualtherapie eine spezielle Form der Paartherapie. Jedoch ist es meist so, dass zum ersten Gespräch ein Partner alleine kommt, da der andere Partner oft nicht weiß das es überhaupt ein Problem gibt. Denn alle Paare entwickeln Strategien, die es ihnen gestatten, Probleme so einfach wie Möglich auszutragen, damit das gemeinsame Leben angenehm bleibt. Dies kann so aussehen, dass nur ein Partner Symptome und Schwierigkeiten entwickelt, während dem anderen alles in Ordnung erscheint. Daher ist es gerade am Beginn der Therapie wichtig folgende Fragen zu erörtern:

  • Was für ein Problem besteht ?
  • Wer spürt das Problem stärker ?
  • Wann tritt das Problem auf ?
  • Welches Gefühl begleitet es ?
  • Wie ist die allgemeinen Lebenssituation ?
  • Wann begannen die Schwierigkeiten ?
  • Wie war die Beziehung und die Lebensumstände damals ?

Ganz wichtig ist zu erwähnen, dass schon im Vorfeld eine Sexualtherapie nicht sinnvoll und erfolgsversprechend erscheint, wenn die Partnerbeziehung deutlich inhaltliche partnerschaftliche Probleme (z.Bsp. Gewalt /Zwang in der Beziehung) oder andere psychische, neurotische Störungen aufweißt. Denn oft ist dann die Sexualstörung nur eines von mehreren Symptomen einer gemeinsamen Ursache. Wichtig ist gleichfalls zu erwähnen, dass nicht nur der alleinige Erfolg einer Sexualtherapie über das Weiterbestehen einer Partnerschaft entscheidend sein kann, denn wäre eine Sexualtherapie sinnlos und eine vorherige Paartherapie eher angebracht.

Genauso wie bei der „normalen“ Paartherapie wird auch hier in den ersten Stunden der Therapiezyklus, die Dauer der Therapiestunde , die Themenschwerpunkte in der Therapie und die individuelle und sinnvollste Technik der Sexualtherapie für das Paar besprochen und festgelegt.

Nun einige Beispiele welche zu einer Sexualstörung führen können:

  • Der eigene starker Kontroll- und Beobachtungszwang bei Personen kann dazu führen, sich nicht ganz auf die Lust, einzulassen und sich gehen zu lassen zu können
  • Für manchen Menschen ist es unmöglich über ihre Empfindungen, ihren Körper, ihre sexuellen Wünsche, Vorstellungen und Vorlieben zu sprechen. (Moralische Schranken)
  • Leistungsdruck und die damit verbundenen Versagungsängste spielen eine große Rolle bei vielen Arten von Sexualstörungen und führen zu einer erheblichen Lustreduzierung
  • Sexuelle Unwissenheit und mangelnde Aufklärung, können dazu führen, dass sich Hemmungen und Ängste vor der Hingabe an den Partner aufbauen. (jeder Sex = Orgasmus)

Praxisleitlinie zur Abklärung der kommunikativen Kompetenz von Paaren

Zu Beginn der sexualtherapeutischen Paargespräche ergeben sich aus der Einschätzung des Therapeuten wichtige prognostische Hinweise über die kommunikative Kompetenz des Paares. Für den Verlauf der Sexualtherapie ist die Qualität der Paarkommunikation ein entscheidender Aspekt. Dabei ist es von Seiten des Therapeuten wichtig, beim Paar alle Ressourcen zu aktivieren um eine möglichst optimale Kommunikation und somit eine erfolgreiche Therapie sicher- zustellen. Mängel kommunikativer Kompetenz des Paares können die allgemeine und/oder speziell die sexualitätsbezogene Kommunikation der Klienten betreffen. Bei einer fehlenden oder eingeschränkten Gesprächs- bzw. Streitkultur (nicht zuhören, ins Wort fallen usw.) kommt es oft zu unaufgedeckte Missverständnissen, Unkenntnis der emotionalen Befindlichkeiten, Nichtwissen über die Wünsche und Phantasien des Partners, daher ist es Zielführend zunächst einmal die allgemeine Paarkommunikation zu verbessern. Bei schweren Defiziten in der Paardynamik und deren Kommunikation ist die Bearbeitung tiefliegender Ursachen erforderlich. Sexualität zwischen einem Paar, ist nur eine andere Form einer tiefen zwischenmenschlichen Kommunikation. Funktioniert im täglichen Leben zwischen zwei Menschen die Kommunikation auf allen Ebenen, funktioniert in aller Regel auch die Sexualität zwischen dem Paar. Ist die gemeinsame Sexualität zwischen den Partnern thematisierbar, muss geklärt werden, ob das jeweilige Grundverständnis von Sexualität gleich – ähnlich oder unterschiedlich zu dem des anderen Partners ist. Oft sind unterschiedliche Vorstellungen über den gesamten Bogen der Sexualität Mitschuld für eine sexuelle Dysfunktion oder Lustlosigkeit. Mitverantwortlich sind unter anderem auch, übermäßiger Scham oder Versagenheitsängste. Besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen der sexuellen Disharmonie und den oben angeführten Themenbereichen, müssen vorab die unterschiedlichen Sichtsweisen bearbeitet und aufgelöst werden, um nach einer nicht disharmonischen gemeinsamen Basis zu suchen. Dazu ist es wesentlich die beziehungsorientierte Dimension von Sexualität (Kommunikationsfunktion) mit dem Paar anzusprechen und in Folge bewusst zu machen. Ist bereits dem Paar die mögliche Ursache für die sexuelle Disharmonie bewusst, kann darüber die Kommunikation verstärkt und vertieft werden. Ist die Kommunikation bzw. die Verständigung darüber noch nicht optimal, kann das Paar die körpersprachlich-kommunikative Bedeutung als neuen Zugang zur sexuellen Zwischenmenschlichkeit sehen bzw. erlernen. „Streichelübungen“ werden nur zur bewussten körpersprachlichen Kommunikation eingesetzt, um die Paarkommunikation zu erweitern, stellt aber zugleich eine unausweichliche Konfrontation mit der Beziehungswirklichkeit des Paares dar. Die bei der Durchführung (oder Verweigerung) der sog. „Hausaufgabe“ häufig auftretenden Widerstände sind zunächst zu bearbeiten, bevor mit der nächsten „Übung“ begonnen wird.

 

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Algorithmus zur Abklärung der kommunikativen Kompetenz von Paaren Algorithmus zur psychosozialen Diagnostik bei sexuellen Funktionsstörungen: Die erweiterte Sexualanamnese Algorithmus zum Einsatz verschriebener Erfahrungen ("Hausaufgaben") in der sexualmedizinischen Behandlung
Abb.1 – Algorithmus zur Abklärung der kommunikativen Kompetenz von Paaren Abb. 2 – Algorithmus zur psychosozialen Diagnostik bei sexuellen Funktionsstörungen: Die erweiterte Sexualanamnese Abb.3 – Algorithmus zum Einsatz verschriebener Erfahrungen („Hausaufgaben“) in der sexualmedizinischen Behandlung

Der Sinn einer Paar- und Sexualtherapie

Das Schwierigste im Leben eines Menschen ist es, eine liebevolle und dauerhafte Beziehung zu einem andern Menschen aufzubauen und zu unterhalten. Wir lernen Lesen und Schreiben, Rechnen , Sprachen, Geschichte und Geografie und hundert andere „nützliche“ Dinge. Doch wie wir eine Beziehung gestalten, dass sie unseren Bedürfnissen entspricht, hat uns niemand gezeigt. ……..Wir glauben oft, dass Sympathie und ein allgemeines Gefühl des Wohlbefindens genügt, um eine Beziehung am Leben zu erhalten. Beziehungen sind jedoch wie Pflanzen. Die Blume braucht nicht nur genügen Wasser, sondern auch Nahrung und Zuwendung. Eine Beziehung braucht deshalb – wie eine sensible Pflanze – Aufmerksamkeit, Zeit und Liebe, wenn sie gedeihen soll. (Die Beziehungskiste 1998)

Am Beginn einer Paartherapie besteht bei den meisten Klientenpaaren fast immer der Wunsch, einer Schlichtung und Beratung bei aktuellen oder immer wieder kommenden Ehe – oder Familienprobleme und Streitigkeiten. Oft ist es so, dass einer der Partner glaubt, in einen Psychotherapeuten einen Schiedsrichter oder Verbündeten zu finden. Dieser Irrglaube resultiert daher, dass die Mehrzahl der Klientenpaare die Paartherapie nicht als Therapie sondern als Beratung verstehen, was nicht die Aufgabe und Funktion des Therapeuten ist. Leider hat sich gleichfalls gezeigt, dass die überwiegende Mehrzahl der KlientenInnen nicht nach einer eignen psychischen Veränderung streben, sondern sich diese vom eigenen Partner wünschen (frei nach dem Motto: „Der Andere soll sich ändern !“). Alle diese Wünsche und Überlegungen können in einer Paartherapie unter dem Gesichtspunkt eines „Schiedsrichters“ nicht erfüllt werden und stehen somit im grassen Gegensatz zu einer „seriösen Paartherapie.“ Die Umsetzung und Bewusstmachung folgender Themen könnten in einer Paartherapie entscheidend für einen bessere Paarbeziehung sein:

  • Kritisches Erkennen und Verbessern des eigenen Kommunikationsstiles dem Partner gegenüber
  • Erlernen von verschiedenen partnerschaftlichen Problemlösungsvarianten
  • Schaffung einer Verbesserung und Sensibilisierung der Streitkultur zwischen dem Paar
  • Bewusstmachen und Erkennen von problematischen Verhaltensmustern der Partner in der Beziehung
  • Aufbau und Festigung der eigenen Individualität und Schaffung eines eigenen Freiraumes in der Paarbeziehung

Abschließend möchte ich dieses Kapitel mit der Definition über die „vier Grundpfeiler einer lebendigen Beziehung“ von F. Hirschi und W. Troxler

  • Gemeinsame Ziele; Denn nur durch gemeinsame Ziele legen die Partner den Grundstein für eine Beziehung, die über längere Zeit existieren soll
  • Einander aktiv unterstützen und zusammenarbeiten; Für einander einstehen, aus vollem Herzen geben und nicht nur konsumieren, nähren eine gute Beziehung
  • Miteinander offen und ehrlich reden; Wir lernen dadurch gegenseitig uns und unsere Bedürfnisse besser kennen und damit auch richtig einzuschätzen
  • Sich gegenseitig vertrauen; Keine Beziehung kann auf Dauer ohne das solide Fundament des Vertauens überleben.

Ablauf und Dauer einer Paartherapie

Viele PsychotherapeutInnen haben ihre eigenen Vorlieben, Techniken und Erfahrungen wie sie einen Paartherapie beginnen und welches Setting (Rahmen) sie dafür vorschlagen. Oft ist es aber auch von Paar zu Paar verschieden, da ja jedes Paar seine ganz speziellen eigenen Probleme hat und daher schon am Beginn der Therapie auf die diese Individualität geachtet werden sollte. Ich halte es im Normalfall so, dass das Erstgespräch auf 1 1/2 Stunden festgesetzt ist und im Beisein von beiden Partner stattfindet.

In diesem Erstgespräch werden die wesentlichen Gründe, welche das Paar zum Therapeuten geführt haben und die Rahmenbedingungen unter welchen eine Therapie sinnvoll erscheint besprochen. Besonderns wenn wiederholt kein „Ausredenlassen“ des Partners im Erstgespräch möglich ist oder ein großes Misstrauen dem Partner gegenüber besteht, kann es durchaus in Betracht kommen, in den anschließenden 2-3 Wochen mit jeden Partner 2-3 Einzelgespräche zu führen um im Vorfeld Erwartungen an die Paartherapie, Ängste aber auch Gemeinsamkeiten der einzelnen Partner in der Beziehung zu hinterfragen und zu klären. Am effizientesten hat sich eine Paartherapieeinheit von 1 1/2 Stunden am Beginn wöchentlich und dann 14-tägig je Termin bewährt, dies gibt beiden Paarteilen die Möglichkeit ausreichend lange die Vorfälle der letzten Woche in der Paartherapie zu besprechen. Die Gesamtdauer einer Paartherapie hängt wie auch in der Einzeltherapie von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, so dass es daher schwierig ist bei Beginn einer Paartherapie eine exakte Stundenanzahl zu nennen. Die Honorarhöhe unterliegt festgesetzten offiziellen Rahmenvorgaben, jedoch kann innerhalb dieses Rahmens das Honorar frei vereinbart werden. Bitte entnehmen Sie der Seite zum Thema „Was ist eine Psychotherapie“ die derzeit aktuellen allgemeinen Honorarrichtlinien.