Die Folgen des Fremdgehens

Die evolutionären Folgen von Fremdgehen

Männchen und Weibchen von Blaumeisen sind für das menschliche Auge kaum unterscheidbar. Im für Vögel sichtbaren UV-Bereich sind die Männchen jedoch viel bunter. Auch ihr monogames Paarungssystem ist nicht das, was es verspricht: In jedem zweiten Nest sind Küken, die nicht vom fürsorgenden Vater stammen. Ein Männchen kann durch Fremdgehen die Anzahl seiner Nachkommen erhöhen. Emmi Schlicht und Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen untersuchten, ob außereheliche Paarungen treibende Kraft für die Evolution von Geschlechtsunterschieden sein können. Die Folgen sind jedoch gering, Fremdgehen kann die sexuelle Selektion von Geschlechtsunterschieden sogar verringern.

Bei vielen Tierarten sehen Männchen und Weibchen sehr unterschiedlich aus. Männliche Hirsche zum Beispiel haben ein imposantes Geweih, und das Prachtgefieder des Pfauhahnes beeindruckt nicht nur Pfauenhennen. Im Garten können wir bei Buchfink oder Hausspatz „ihn” an der Färbung von Brust und Kopf erkennen. Wieso gibt es diese Geschlechtsunterschiede? Beim Hirsch ist das prinzipiell einfach: Ein Männchen verteidigt Weibchen und Revier gegen Rivalen und muss im Ernstfall sein Geweih einsetzen, wenn es zu Streitigkeiten kommt. Auch der Pfau versucht mit seinem Gefieder Rivalen auszustechen und Weibchen anzulocken. Die Geschlechtsmerkmale lohnen sich für die Männchen, weil sie ihnen helfen, sich zusätzliche Nachkommen zu sichern. Für Weibchen ist solche sexuelle Selektion schwächer, denn sie bekommen keine zusätzlichen Nachkommen, wenn sie sich gegenüber Rivalinnen durchsetzen.

Viele Vogelarten aber stellen Evolutionsbiologen vor ein Problem: Sie sind in der Regel mit einem Partner des anderen Geschlechts fest verbandelt, leben also monogam. Die Nachkommen werden von den Eltern gemeinsam aufgezogen. Warum also das bunte Gefieder nur bei Männchen, wenn die Anzahl der Nachkommen für beide Eltern gleichermaßen durch das Gelege des Weibchens festgelegt ist? Führt man Vaterschaftsanalysen bei den Vögeln durch, stellt man fest, dass die Nachkommen nicht alle von dem Männchen stammen, das sie füttert. Ein monogames Männchen kann also durchaus zusätzliche Nachkommen haben, wenn es ihm gelingt, ein paar Eier bei anderen Weibchen zu ergattern. Ist das der Schlüssel zu den Geschlechtsunterschieden im Aussehen?

Eine Studie an Blaumeisen hat sich mit den Grundlagen dieser Frage beschäftigt. Emmi Schlicht und Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben Daten aus sechs Jahren Forschungsarbeit herangezogen, um verschiedene Aspekte des Paarungssystems der Blaumeisen unter die Lupe zu nehmen. Es zeigte sich: Die sozialen Bindungen scheinen ausschlaggebend zu sein, während die außerpaarlichen Verbindungen zwar von Vorteil sind, keinesfalls aber der sexuellen Selektion zu großen Sprüngen verhelfen. „Blaumeisenmännchen bekommen die meisten Nachkommen zusammen mit dem Brutpartner; ein Gelege umfasst im Durchschnitt neun Eier. Manche Männchen können sich sogar zwei Weibchen als soziale Partner sichern“, sagt Bart Kempenaers, Leiter der Studie. „Da können ein, zwei Nachkommen mit anderen, fremd verpaarten Weibchen nicht mithalten“. Die Merkmale der untersuchten Männchen sind vermutlich also darauf optimiert, im sozialen Bereich den Erfolg zu sichern und erst danach noch zusätzliche Nachkommen außerhalb der Paarbeziehung zu erobern.
Interessanterweise fanden die Wissenschaftler noch einen unerwarteten Effekt der außerpaarlichen Aktivitäten: Bei einer Geschwisteranalyse stellte sich heraus, dass es bis zu 24 Väter pro Jahr in der untersuchten Population gibt, die zu keiner der von den Forschern beobachteten Bruten in Nistkästen gehörten. Wenn diese unbekannten Männchen tatsächlich keine eigene Brut hatten, sind die Küken in fremden Nestern ihre einzigen Nachkommen. Für die unverpaarten Männchen sind also die Nachkommen, die durch Fremdgehen entstehen durchaus entscheidend. „In diesem Fall trägt das außerpaarliche Paarungsverhalten dazu bei, die Unterschiede zwischen Männchen in ihrem Fortpflanzungserfolg zu verringern“, erläutert Emmi Schlicht, Erstautorin der Studie. “Das macht eine Auswahl der „Besten“ weniger effektiv und erschwert es der Evolution, besondere Merkmale bei Männchen zu selektieren, die ihren Paarungserfolg erhöhen“. Fremdgehen kann die sexuelle Selektion von Geschlechtsunterschieden also sogar verlangsamen. (ES/SSP)

Originalveröffentlichung:
Emmi Schlicht and Bart Kempenaers: Effects of social and extra-pair mating on sexual selection in blue tits (Cyanistes caeruleus). Evolution. Online veröffentlicht am 22.03.2013

Kontakt:
Emmi Schlicht
Max-Planck-Institut für Ornithologie (MPIO), Seewiesen
Abteilung Verhaltensökologie und Evolutionäre Genetik
schlicht@orn.mpg.de

Prof. Dr. Bart Kempenaers
MPIO Seewiesen, Abteilung Verhaltensökologie und Evolutionäre Genetik
b.kempenaers@orn.mpg.de

Dr. Sabine Spehn Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Ornithologie MPIO Seewiesen,
pr_seewiesen@orn.mpg.de
Link: http://idw-online.de/de/news526288

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Die Frau zu kurz, der Mann zu früh

Die Frau kommt mehrfach zu kurz, wenn der Mann zu früh kommt

Rund ein Drittel aller Männer leidet unter vorzeitigem Samenerguss. Für die Mehrheit der Frauen ist aber weniger der verkürzte und höhepunktslose Liebesakt frustrierend. Eine Sexualforscherin der Universität Zürich zeigt: Sind Männer zu stark auf die Kontrolle des Samenergusses fokussiert, ignorieren sie die sexuellen Bedürfnisse der Frauen und können nicht auf deren individuellen Wünsche eingehen, was die Partnerschaft erheblich gefährden kann.

Der vorzeitige Samenerguss ist eine der häufigsten Sexualstörungen bei Männern. Unter dieser leiden aber nicht nur Männer, sie führt auch bei Frauen zu einem erhöhten Leidensdruck und Stress, wie die aktuelle Umfrage zeigt, die Andrea Burri, Klinische Psychologin an der Universität Zürich, durchgeführt hat. Rund 40 Prozent der über 1’500 befragten Frauen aus Mexiko, Italien und Südkorea gaben an, dass die Ejakulationskontrolle sehr wichtig für befriedigenden Geschlechtsverkehr sei. Nicht die kurze Zeitdauer des Liebesaktes wird in erster Linie von der Mehrheit der Frauen als Hauptquelle des sexuellen Frustes angesehen, sondern der Umstand, dass der Mann zu stark auf das Hinauszögern des Samenergusses fokussiert ist. Dadurch ignoriert er die sonstigen sexuellen Bedürfnisse der Frau und kann nicht auf ihre individuellen Wünsche eingehen.

Frauen, die selten zum Höhepunkt kommen, leiden mehr Für die Mehrheit der befragten Frauen besteht erfüllende Sexualität nicht nur aus Geschlechtsverkehr, sondern umfasst auch Küssen, Streicheln sowie andere Formen von sexueller Stimulation, die als ebenso wichtig für eine befriedigende Sexualität erachtet werden. Wenn der Mann hauptsächlich mit seinem Problem, dem vorzeitigen Samenerguss und damit seiner Leistung, beschäftigt ist, gehen diese Bedürfnisse unter. Der Geschlechtsverkehr richtet sich zunehmend nach der Zeit und nicht nach dem «wie mögen wir es und was tut uns gut». «Auf Dauer ist die Frau verzweifelt und frustriert. Ähnlich wie der Mann vermeidet auch sie aus Furcht vor einer Zurückweisung und der daraus resultierenden Verletzung der eigenen Sexualität zunehmend den sexuellen Kontakt», erklärt die Sexualforscherin Andrea Burri. Die Frau büsse damit an Lebensqualität ein und stelle letztlich die Partnerschaft in Frage.

Dabei leiden vor allem jene Frauen unter der einseitigen Aufmerksamkeit des Mannes, die nicht den Geschlechtsverkehr als zentralen Aspekt der Sexualität empfinden, sondern eher die sexuelle Kreativität in den Vordergrund stellen. «Interessanterweise ist eine lange Koitusdauer vor allem für die Frauen wichtig, die keine Mühe haben zum Höhepunkt zu kommen», so Andrea Burri. Für jene Frauen, die selten oder gar nie zum Orgasmus kommen, sei die Koitusdauer nicht zentral. Viel mehr diene hier der sexuelle Akt dem Aufbau und Erleben von Intimität und Bindung. Der vorzeitige Samenerguss wird von den Frauen zwar ebenfalls als belastend erlebt, die verkürzte Dauer jedoch als weniger problematisch empfunden als die Unaufmerksamkeit des Partners auf die restlichen sexuellen Bedürfnisse.

Die Umfrage zeigt, dass aufgrund der psychischen Belastung und des angestauten Frusts der Frau eine im Grunde harmonische Beziehung häufig mit einer Trennung endet. Ein Grossteil der Frauen gab an, in früheren Beziehungen mit Partnern, die unter keinem sexuellen Problem litten, bedeutend zufriedener gewesen zu sein. Dies hing hauptsächlich damit zusammen, dass das Problem des vorzeitigen Samenergusses in der aktuellen Beziehung zu stark gewichtet worden sei. Darüber hinaus kam es bei einem Viertel der Umfrageteilnehmerinnen in der Vergangenheit bereits zum Bruch der Partnerschaft aufgrund dieses sexuellen Problems. «Denn die Konsequenzen sind oftmals weitreichender als die blosse sexuelle Unzufriedenheit, da es in Extremfällen eine Bedrohung für den Kinderwunsch bedeutet, wenn der Mann schon vor dem eigentlichen Geschlechtsverkehr ejakuliert», schliesst Andrea Burri.

Vorzeitiger Samenerguss («Ejaculatio Praecox»)

Definition (gemäss American Psychiatric Association)
«Dauerhaft oder wiederkehrend auftretende Ejakulation bei minimaler sexueller Stimulation vor oder kurz nach dem Eindringen in die Vagina und bevor die Person es wünscht»

Häufigkeit
Die Häufigkeit ist definitions- und stichprobenabhängig. Weltweit leiden etwa 30 Prozent der Männer darunter, wobei es starke regionale und geographische Unterschiede gibt.

Wer ist davon betroffen?
Ein vorzeitiger Samenerguss kann bei geschlechtsreifen Männern aller Altersstufen auftreten.

Ursachen
Ein vorzeitiger Samenerguss kann verschiedene Ursachen haben, die bislang nicht hinreichend geklärt worden sind. Neben psychischen und medizinischen Ursachen, beispielsweise einschränkende Sexualerziehung, unrealistische Vorstellung von Sexualität, Versagensangst, Erektionsprobleme, körperliche Erkrankungen, gibt es auch neurophysiologische Gründe wie beispielsweise penile Sensitivität.

Was tun?
Zur Therapie können je nach Ursache physische, medikamentöse oder psychotherapeutische Therapieansätze infrage kommen. Dabei ist es bei der Psychotherapie von Vorteil, wenn sich die Partnerin am Gespräch beteiligt und sich in die Therapie einbezieht.
Link: http://idw-online.de/de/news587882

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Kontakt:
Dr. sc. Andrea Burri
Klinische Psychologie
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 74 97
E-Mail: a.burri@psychologie.uzh.ch