Neuerste weltweite Untersuchungen haben ergeben, dass Sexualstörungen schon häufiger auftreten als psychosomatische Erkrankungen und alle Gesellschaftsschichten und beide Geschlechter gleich stark betreffen. Störungen der sexuellen Lust und Funktionsfähigkeit können vielfältige Ursachen und Erscheinungsformen haben. Von einer Sexualstörung spricht man in der Regel erst dann, wenn über einen längeren Zeitraum beim besten Willen und unter günstigsten äußeren Bedingungen keine Lust aufkommt oder ein sexueller Umgang (Vereinigung) mit dem Partner nicht oder nur unter größter körperlicher und zeitlicher Ansprengung möglich ist. Schon bei der einfachsten Form einer Sexualstörung kann bei verschiedensten Personen der psychische Leidensdruck sehr groß sein und einen deutlich negativen Einfluss auf die partnerschaftliche Beziehung nach sich ziehen. Meistens ist die Sexualstörung, sofern körperlich und hormonelle Ursachen ausgeschlossen wurden, ein Syndrom (sexueller Missbrauch ausgenommen) einer anderen latenten psychischen Disharmonie „wie z. Bsp. einer Depression“ und ist somit immer im Kontext mit dem gesamten inneren Stimmungsbild der Person zu evaluieren. Da es die unterschiedlichsten Formen von Sexualstörungen würde eine Aufzählung diesen Rahmen hier sprengen, die drei wichtigsten seien kurz erwähnt: Vaginismus (Scheidenkrampf), Ejaculation praecox, (vorzeitiger Samenerguss) primäre und sekundäre Orgasmusstörungen,….
Mit begleitenden verhaltenstherapeutischen oder analytischen Techniken, unter zu Hilfenahme von unterschiedlichen Entspannungstechniken, kann in den meisten Fällen mittelfristig die Sexualstörung geheilt, gelindert oder deutlich reduziert werden.

Praxisleitlinie zur Abklärung der kommunikativen Kompetenz von Paaren

Zu Beginn der sexualtherapeutischen Paargespräche ergeben sich aus der Einschätzung des Therapeuten wichtige prognostische Hinweise über die kommunikative Kompetenz des Paares. Für den Verlauf der Sexualtherapie ist die Qualität der Paarkommunikation ein entscheidender Aspekt. Dabei ist es von Seiten des Therapeuten wichtig, beim Paar alle Ressourcen zu aktivieren um eine möglichst optimale Kommunikation und somit eine erfolgreiche Therapie sicher- zustellen. Mängel kommunikativer Kompetenz des Paares können die allgemeine und/oder speziell die sexualitätsbezogene Kommunikation der Klienten betreffen. Bei einer fehlenden oder eingeschränkten Gesprächs- bzw. Streitkultur (nicht zuhören, ins Wort fallen usw.) kommt es oft zu unaufgedeckte Missverständnissen, Unkenntnis der emotionalen Befindlichkeiten, Nichtwissen über die Wünsche und Phantasien des Partners, daher ist es Zielführend zunächst einmal die allgemeine Paarkommunikation zu verbessern. Bei schweren Defiziten in der Paardynamik und deren Kommunikation ist die Bearbeitung tiefliegender Ursachen erforderlich. Sexualität zwischen einem Paar, ist nur eine andere Form einer tiefen zwischenmenschlichen Kommunikation. Funktioniert im täglichen Leben zwischen zwei Menschen die Kommunikation auf allen Ebenen, funktioniert in aller Regel auch die Sexualität zwischen dem Paar. Ist die gemeinsame Sexualität zwischen den Partnern thematisierbar, muss geklärt werden, ob das jeweilige Grundverständnis von Sexualität gleich – ähnlich oder unterschiedlich zu dem des anderen Partners ist. Oft sind unterschiedliche Vorstellungen über den gesamten Bogen der Sexualität Mitschuld für eine sexuelle Dysfunktion oder Lustlosigkeit. Mitverantwortlich sind unter anderem auch, übermäßiger Scham oder Versagenheitsängste. Besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen der sexuellen Disharmonie und den oben angeführten Themenbereichen, müssen vorab die unterschiedlichen Sichtsweisen bearbeitet und aufgelöst werden, um nach einer nicht disharmonischen gemeinsamen Basis zu suchen. Dazu ist es wesentlich die beziehungsorientierte Dimension von Sexualität (Kommunikationsfunktion) mit dem Paar anzusprechen und in Folge bewusst zu machen. Ist bereits dem Paar die mögliche Ursache für die sexuelle Disharmonie bewusst, kann darüber die Kommunikation verstärkt und vertieft werden. Ist die Kommunikation bzw. die Verständigung darüber noch nicht optimal, kann das Paar die körpersprachlich-kommunikative Bedeutung als neuen Zugang zur sexuellen Zwischenmenschlichkeit sehen bzw. erlernen. „Streichelübungen“ werden nur zur bewussten körpersprachlichen Kommunikation eingesetzt, um die Paarkommunikation zu erweitern, stellt aber zugleich eine unausweichliche Konfrontation mit der Beziehungswirklichkeit des Paares dar. Die bei der Durchführung (oder Verweigerung) der sog. „Hausaufgabe“ häufig auftretenden Widerstände sind zunächst zu bearbeiten, bevor mit der nächsten „Übung“ begonnen wird.

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Algorithmus zur Abklärung der kommunikativen Kompetenz von Paaren Algorithmus zur psychosozialen Diagnostik bei sexuellen Funktionsstörungen: Die erweiterte Sexualanamnese Algorithmus zum Einsatz verschriebener Erfahrungen ("Hausaufgaben") in der sexualmedizinischen Behandlung
Abb.1 – Algorithmus zur Abklärung der kommunikativen Kompetenz von Paaren Abb. 2 – Algorithmus zur psychosozialen Diagnostik bei sexuellen Funktionsstörungen: Die erweiterte Sexualanamnese Abb.3 – Algorithmus zum Einsatz verschriebener Erfahrungen („Hausaufgaben“) in der sexualmedizinischen Behandlung