Stalking ist mit Sicherheit ein weitverbreitetes Phänomen mit einer hohen Dunkelziffer, daher hat nun nach langem ringen der Gesetzgeber mit 1. Juli 2006 das Anti-Stalking-Gesetz in Österreich in Kraft gesetzt. Das ermöglicht nun betroffenen Personen einen besseren Opferschutz unter Einschaltung der Polizei und der Gerichte. Der Schutz vor „beharrlicher Verfolgung“ ist um ein neuer Straftatbestand welcher im Strafgesetzbuch aufgenommen wurde und bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden kann.

Der Gesetzgeber hat genau festgehalten welche möglichen Stalking Handlungen strafrechtlich verfolgt werden können, dies sind:

„Beharrlich verfolgt eine Person, wer in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt

  1. ihre räumliche Nähe aufsucht, oder auch Gleiche und gleichzeitig Freizeitaktivitäten betreibt
  2. im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte oder den Arbeitsplatz Kontakt zu ihr herstellt
    (z.B. Nachrichten an der Haustür, am Auto hinterlassen, häufige Telefonanrufe/SMS zu jeder Tages- und Nachtzeit, das schicken von Blumen oder Geschenken)
  3. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Waren oder Dienstleistungen für sie bestellt oder
  4. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Dritte veranlasst, mit ihr Kontakt aufzunehmen“

Wichtig ist es für das Stalking Opfer nachweisen zu können das, das permanente und beharrliche verfolgen als eine unzumutbare Beeinträchtigung der eigenen Privatsphäre erlebt wird. Hierbei gelten speziell Handlungen, die das Opfer zu einer Änderung seiner täglichen Lebensgewohnheiten zwingen, wie z.B. auf Umwegen in die Arbeit zu gehen, die Änderung der Telefonnummer, usw.

Täter – Opfer

Auch wenn jeder Mensch Opfer von Stalking werden kann und sich Opfer und Täter nicht notwendigerweise kennen müssen, sind nach bisherigen Erkenntnissen am häufigsten Personen betroffen, die eine Beziehung oder Ehe beendet oder einen Beziehungswunsch zurückgewiesen haben. Es gibt neue Studien in Deutschland die belegen dass 24 Prozent aller Frauen und 10 Prozent aller Männer mindestens einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit Verfolgung und Belästigung gemacht haben. Aber auch Berufsgruppen mit Kundenverkehr, Patienten oder Klienten können Opfer eines Stalkers werden; wenn dieser sich selbst als Opfer einer Beratung, einer Behandlung oder eines Rechtsstreites – oder ähnlichem – sieht.

Täter scheinen meist ehemalige Beziehungspartner oder abgewiesene Verehrer zu sein, aber auch Arbeitskollegen und Nachbarn befinden sich häufig darunter. In einigen Fällen ist dem Opfer der Täter aber überhaupt nicht bekannt und gehört auch nicht zum näheren persönlichen, beruflichen oder wohnlichen Umfeld. In manchen Fällen spielt das Phänomen der Übertragung eine Rolle, wenn ein Täter für empfundene seelische oder körperliche Verletzungen ein Opfer stellvertretend büßen lässt, weil es bestimmte Merkmale aufweist, die für ihn im Bezug zum eigenen Schicksal stehen. Ein Teil der Täter weist erhebliche psychische Erkrankungen auf. (Quelle: wikipedia)

Die australischen Wissenschaftler Mullen, Pathe und Purcell teilen die Stalker in Gruppen ein, ausgehend von deren Motivation und Beziehungsverhältnis:

Gruppe Motivation Beziehungsverhältnis
1. Zurückgewiesene Stalker Gefühl der Demütigung, Zurückweisung u.a. meist Ex-Partner
2. Beziehungssuchende Stalker Fehlwahrnehmungen der Beziehungsbereitschaft des Opfers, häufig Liebeswahn Persönliches und weiteres Umfeld des Opfers
3. Intellektuell retardierte Stalker Ungenügende Sozialkompetenz, überschreiten Grenzen Persönliches und weiteres Umfeld
4. Rachsüchtige Stalker sehen sich fälschlicherweise selbst als, oder sind, Opfer der von Ihnen gestalkten Opfer weiteres, temporäres Umfeld (z.Bsp. Arzt oder Anwalt als Opfer)
5. Erotomane, morbide, krankhafte Stalker Kontrolle/Dominanz – meist psychopathische Persönlichkeit Persönliches und weiteres Umfeld
6. Sadistische Stalker Gefühl der Befriedigung Persönliches und weiteres Umfeld

Quelle: Mullen, P. E., Pathé, M. & Purcell: „Stalkers and their victims“, Cambridge University Press, Cambridge

Psychologische Folgen

Aus der nachstehenden angeführten Statistik ergibt es sich das je nach psychischer Konstitution und Dauer des Stalkings ein Grossteil der Opfer auch noch mittel- bis langfristig nach dem Vorfall an unterschiedlichen vegetativen Erscheinungen sowie an psychischen und körperliche Erschöpfungen leiden. Speziell bei Opfern denen immer wieder und unerwartet aufgelauert wurde, oder die körperlich verfolgt wurden zeigen sich schon in kurzer Zeit Symptome von pathogenen Verhaltensmustern, wie etwa sozialer Rückzug bis hin zur Vereinsamung oder ein gesteigertes Kontrollverhalten dass in Ausnahmefällen bis zu unterschiedlichen Wahnvorstellungen führen kann. Zwischen Opfer und Stalker kann sich ein gegenseitiges Kontrollverhalten bzw. eine Fixierung auf den jeweiligen anderen entwickeln, es erfolgt eine Fixierung auf eine unberechenbare und jederzeit auftretende Bedrohung durch den Stalker.

Sehr vereinzelt kann es nach massiven und lange Verfolgung zu posttraumatischen Belastungsstörungen bei den Opfern kommen, da diese Menschen die Fixierung des Stalkers auf sich psychisch nicht verarbeiten können.

Der deutsche Psychologe Hans-Georg W. Voß stellte zum Thema „Zur Psychologie des Stalking“ in seinen Erhebungen 2003 Auswertung 2004 fest, dass

  • 82 % aller Stalking Opfer an einem Gefühl der inneren Unruhe leiden
  • 72 % an deutlich verstärkter Nervosität Schreckhaftigkeit leiden
  • 72 % deutlich mehr Angst verspüren
  • 69 % anderen Menschen gegenüber Misstrauischer sind
  • 68 % verstärkt Wut, Reizbarkeit, Aggressionen bei sich erkennen
  • 67 % an Schlafstörungen leiden
  • 49 % an Depressionen erkrankten
  • 37 % häufiger über Kopfsschmerzen klagten
  • 33 % von Panikattacken berichteten

(Darmstädter Stalking Studie 2003 (DSS) 398 ausgewertete Geschädigten, bei der Angabe waren Mehrfachnennungen möglich)

Opfer und Täter Psychotherapie

Opfer

Aus den oben erwähnten psychologischen Folgen bis hin zu einer ernsthaften psychiatrischen Erkrankung ist eine möglichst frühzeitige begleitende und stützende Psychotherapie für das Opfer angezeigt. Wesentliche Therapiepunkte bzw. Interventionsformen mit einem Stalking-Opfer könnten sein:

  • Vorbeugung, Abfangen und/oder Behandlung depressiver oder anderer psychischer Entwicklungen
  • Psychotherapeutische Behandlung von Angst und Traumatisierung
  • Psychotherapeutisches Krisenmanagement
  • Strategieentwicklung für eine rasche Stabilisierung in Stalking – Krisensituationen
  • Psychotherapeutisches ICH-stärkendes und stabilisierendes Arbeiten
  • Arbeit an den eigenen Grenzen (Stärkung der Fähigkeit sich abzugrenzen)
  • Ressourcenorientiertes Arbeiten
  • Entwickeln einer Anti-Stalkin-Strategie
  • Krisenmodell von Roberts und Dziegielewski
  • Je nach Wunsch Einbeziehung des Partners und der Familie in die Therapie
  • Begleitende Therapieinterventionen nach Beendigung des Stalkings

Ziel einer begleitenden Psychotherapie könnte sein, dass das Opfer ein souveränes selbstsicheres situationsabhängiges Auftreten in der Stalking-Situation lernt und erfolgreich einsetzen kann. Dies kann je nach Persönlichkeit des Stalkers zur Folge haben, dass er die Lust (das Interesse) an seinem Opfer verliert, da es ihm nicht mehr ausreichend gelingt durch seine Stalking- Aktivitäten die Zielperson psychisch zu manipulieren und auf sie einen sichtbaren Druck auszuüben.

Täter

Ohne den Begriff Stalking zu verwenden wurden ähnliche Verhaltensmuster in der psychiatrischen Literatur bereits vor mehr als 100 Jahren beschrieben. Seinerzeit bezeichnet man dieses Verhalten auch Liebeswahn bzw. Erotonomie, wobei man aus heutigen Untersuchungen weiß, dass bei nicht mehr als 10 % der Täter der Liebeswahn der Grund für sein Verhalten ist. Die psychische Persönlichkeitstruktur der Stalker und deren Beweggründe für das Stalking sind sehr unterschiedlich und vielfältig. In den bisher durchgeführten wenigen Studien lässt sich erkennen, dass viele Stalker an einer Bindungs- bzw. Angststörung (Verlassenheitsängste/Beziehungsängste) und draus oftmals resultierend an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen mit vielfältigen Ausprägungsformen leiden. Stalking ist dabei nicht mit einer bestimmten psychiatrischen Diagnose assoziiert. Erkannt wurde ferner, dass Stalker in ihrer Biographie gehäuft eine Suchtthematik aufweisen. Festgestellt wurde, dass ein großer Teil der Stalker Ansätze einer Persönlichkeitsstörung aufweisen. Forensische Psychologen und Psychiater haben in den letzten Jahren unterschiedliche Typologiemodelle über Stalker entwickelt, sodass derzeit mit unterschiedlichen jedoch ähnlichen Typologiemodellen gearbeitet wird.

Die Vielschichtigkeit und Unterschiedlichkeit der Persönlichkeitsmuster von Stalker bringt es mit sich, dass es nach meinem heutigen Wissensstand noch keine „klassische Psychotherapiekonzepte für Stalker“ gibt, sondern sich die jeweiligen psychotherapeutischen Interventionsformen und Rahmenbedingungen je nach Persönlichkeits- bzw. Krankheitsbild richtet und abgestimmt sein müssen. Obwohl es keine klaren Therapiekonzepte geben kann, gibt es doch einige Interventionsthemen und Ziele die mit einem Stalker psychotherapeutisch durchgearbeitet gehören, diese sind z.B.:

  • Opfer-Empathie für die Folgen von Stalking
  • Neuer Umgang mit der eigenen Aggression
  • Zwischenmenschliches Beziehungsverhalten
  • Rückfallprävention

Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass Stalker fast immer psychisch angeschlagene Persönlichkeiten sind, für die eine kontinuierliche und längerfristige Psychotherapie die bestmöglichste Therapieform und Hilfe darstellt. Wie bei allen anderen psychischen Erkrankungen würde auch hier mit großer Wahrscheinlichkeit die Krankenkasse eine Teilrefundierung der Kosten für die laufende Psychotherapie übernehmen.