Sport hilft gegen Depressionen

Depressionen werden von zahlreichen psychischen und physischen Beschwerden begleitet wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, sexuelle Inaktivität oder Schlafstörungen. Ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Beteiligung der Universität Bern hat nun erstmals alle verfügbaren Metaanalysen zum Thema Sport und Depressionen zusammengefasst und die positive Wirkung von Sport und körperlicher Aktivität auf Depressionen evaluiert.

Depressionen sind die am häufigsten diagnostizierte psychische Erkrankung. In den westlichen Industrienationen leidet mindestens jede zehnte Person im Verlauf ihres Lebens einmal daran. Depressionen beeinflussen die körperliche Gesundheit stärker als Diabetes oder Arthritis.

Traditionell erfolgt die Behandlung von Depressionen mit Medikamenten (Antidepressiva) und Psychotherapie. Wie eine Publikation unter Beteiligung der Universität Bern nun aber zeigt, stossen Sport und körperliche Aktivität teilweise die gleichen neurophysiologischen Veränderungen an wie Antidepressiva. Deshalb zeigte eine Vielzahl von Metaanalysen eine positive Wirkung von Sport und körperlicher Aktivität auf Depressionen.

Neurobiologische Anpassungen durch Sport und körperliche Aktivität

Sport und körperliche Aktivität bewirken verschiedene Veränderungen im Gehirn, die sonst nur durch Medikamente erzielt werden. Medikamente zur Behandlung von Depressionen setzen ähnlich wie Sport und körperliche Aktivität an der Serotoninaufnahmefähigkeit des Gehirns an. Sie verstärken die Epinephrinaktivität und sorgen für die Ausschüttung verschiedener Faktoren für das Nervenwachstum. Diese Faktoren fördern das Zellwachstum im Gehirn und verhindern das Absterben von Zellen im Hippocampus, welches sonst durch Depressionen hervorgerufen wird. Sport und körperliche Aktivität führen mit diesen Veränderungen auch zu einer herabgesetzten Aktivität des Stresshormons Cortisol und wirken damit teilweise ähnlich wie Psychopharmaka.

«Leider lassen die Metaanalysen keine Schlüsse zu, wie oft und wie lange wöchentlich Sport getrieben werden sollte», sagt Mirko Wegner. «Man kann aber sehen, dass Sport und körperliche Aktivität Depressionen mildern. Zudem konnten wir feststellen, dass die Wirksamkeit von Sport bei Depressionsstörungen grösser ist als beispielsweise bei Angststörungen.»

Regelmässiges Sporttreiben scheint nach bisherigem Stand der Forschung ein probates Mittel zu sein, um Depressionssymptome zu vermindern. Zudem ist es kostengünstig und hat nur wenige Nebenwirkungen. Ob und vor allem in welchem Ausmass Sport und körperliche Aktivität eine Ergänzung oder sogar Alternative zu Medikamenten bei leichten Depressionen sein können, muss jedoch noch untersucht werden.

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Angaben zur Publikation:
Wegner, M., Helmich, I., Machado, S., Arias-Carrión, O., & Budde, H. (2014). Effects of exercise on anxiety and depression disorders: Review of meta-analyses and neurobiological mechanisms. CNS & Neurological Disorders – Drug Targets, 13(6). doi: 10.2174/1871527313666140612102841

Beeinflusst der Mond unseren Schlaf?

Im Volksglauben gibt es verschiedenste Mythen über den Einfluss des Mondes auf den Menschen. So leiden angeblich viele Menschen bei Vollmond unter Schlafstörungen. Im Gegensatz zu früheren Studien konnten Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München nun keinen Zusammenhang zwischen dem menschlichen Schlaf und den Mondphasen finden. Für die Untersuchung werteten die Forscher große, bereits vorhandene Datensätze über den Schlaf zahlreicher Probanden aus. Während der Recherchen stießen sie auf weitere Studienergebnisse, welche ebenfalls keinen Einfluss des Mondes feststellen konnten. Diese sind jedoch häufig nicht veröffentlicht worden. Dadurch waren Studien mit positivem Befund bislang in der wissenschaftlichen Literatur überrepräsentiert.

Seit Jahrhunderten glauben die Menschen, dass ihre Gesundheit oder ihr Verhalten durch den Mond beeinflusst werden. Im Volksglauben hält sich vor allem die Überzeugung, dass man in Vollmondnächten schlechter schläft. Aber gibt es tatsächlich einen wissenschaftlich nachweisbaren Zusammenhang?

Einige Studien beschäftigten sich bereits in Nachanalysen von zuvor zu einem anderen Zweck erhobenen Schlafdaten mit dem Einfluss des Mondes auf den menschlichen Schlaf. Allerdings wurden die Auswirkungen auf den Schlaf selten mit objektiven Methoden, wie z.B. dem Schlaf-EEG, untersucht und die Ergebnisse waren sehr unterschiedlich. In manchen Studien schienen sich die Mondphasen besonders auf Frauen auszuwirken, in andern wiederum besonders auf Männer. Zwei Analysen von Datensätzen mit jeweils 30 bis 50 Teilnehmern aus den Jahren 2013 und 2014 zeigten übereinstimmend, dass die Schlafdauer in Vollmondnächten verkürzt ist. Für andere Messungen kamen sie jedoch zu kontroversen Ergebnissen. Beispielsweise wurde in einer der beiden Analysen gezeigt, dass das Einsetzen des REM-Schlafes – die Schlafphase, in welcher wir vor allem träumen – bei Neumond verzögert ist. In der anderen Studie wurde hingegen eine Verzögerung in Vollmondnächten festgestellt.

Um Zufallsbefunde zu vermeiden, wie sie in Studien mit geringer Teilnehmerzahl möglich sind, untersuchten die Wissenschaftler nun Schlafdaten von 1.265 Probanden aus 2.097 Nächten. „Nachdem wir diese große Anzahl von Daten ausgewertet hatten, konnten wir frühere Ergebnisse aus anderen Studien nicht bestätigen“, berichtet Martin Dresler, Neurowissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour in Nijmegen, Niederlande. „Wir konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen.“ Im Rahmen dieser Untersuchungen fand sein Team weitere unveröffentlichte Analysen von über 20.000 Schlafnächten, welche ebenfalls keinen Einfluss des Mondes feststellen konnten. Dass diese Ergebnisse nicht veröffentlicht worden sind, könnte ein Beispiel für eine verzerrte Veröffentlichungspraxis sein, wie sie beispielsweise auch als „Schubladenproblem“ bekannt ist.

Darunter versteht man das Phänomen, dass viele Untersuchungen zwar durchgeführt, aber nie veröffentlicht werden – sie verbleiben stattdessen in der Schublade der Forscher. Die Tendenz nur positive oder signifikante Ergebnisse zu veröffentlichen, nicht aber negative oder unschlüssige, ist ein viel diskutiertes Problem in der Wissenschaft, Medizin und Pharmazie.

Bisher wurde der Einfluss des Mondes auf den menschlichen Schlaf durch die Nachanalyse von bereits früher zu einem anderen Zweck erhobenen Datensätzen untersucht. „Um die ganz offensichtlichen Einschränkungen von solchen Nachanalysen zu umgehen, müssten gut überlegte und genau auf den Zweck abgestimmte Experimentreihen mit einer großen Anzahl von Probanden durchgeführt werden“, kommentiert Dresler.

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Originalveröffentlichung:
Cordi M, Ackermann S, Bes FW, Hartmann F, Konrad BN, Genzel L, Pawlowski M, Steiger A, Schulz H, Rasch B, Dresler M.
Lunar cycle effects on sleep and the file drawer problem.
Current Biology. Vol 24, Nr. 12 (doi: 10.1016/j.cub.2014.05.017)

Ansprechpartner:
Anna Niedl
Press and Public Relations
Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München
Telefon: +49 89 30622-263
Fax: +49 89 30622-370
E-Mail:anna_niedl@mpipsykl.mpg.de

Dein Stress ist auch mein Stress

Allein das Beobachten stressiger Situationen kann eine körperliche Stressantwort auslösen

Stress ist ansteckend. Es kann ausreichen, eine andere Person in einer stressigen Situation zu beobachten, damit der eigene Körper das Stresshormon Kortisol ausschüttet. Zu diesen Ergebnissen kommen Wissenschaftler in einem groß angelegten Kooperationsprojekt zwischen den Abteilungen von Tania Singer am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und Clemens Kirschbaum von der Technischen Universität Dresden. Empathischer Stress trat besonders häufig auf, wenn Beobachter in einer Paarbeziehung zu der gestressten Person standen und das Geschehen direkt über eine Glasscheibe verfolgen konnten. Aber auch wenn fremde Personen lediglich auf einem Bildschirm zu sehen waren, versetzte das einige Menschen in Alarmbereitschaft. In unserer von Stress geprägten Gesellschaft ist dieser empathisch vermittelte Stress ein nicht zu vernachlässigender Faktor für das Gesundheitswesen.

Stress ist heutzutage einer der wichtigsten Krankheitsauslöser. Er verursacht verschiedene psychische Probleme wie Burn-out, Depression oder Angstzustände. Selbst wer ein relativ entspanntes Leben führt, kommt ständig mit gestressten Personen in Berührung. Ob bei der Arbeit oder im Fernsehen: Irgendwer hat immer gerade Stress, und dieser kann auf die Umwelt abfärben. Nicht nur gefühlt, sondern auch körperlich messbar als erhöhte Konzentration des Stresshormons Kortisol.

„Dass wir diesen empathischen Stress in Form einer bedeutsamen Hormonausschüttung wirklich messen konnten, war schon erstaunlich“, sagt Veronika Engert, eine der Erstautorinnen der Studie. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es in vielen Untersuchungen nicht gelingt, das Stresssystem mittels direkt erlebtem Stress zu aktivieren. Empathische Stressreaktionen konnten unabhängig („stellvertretender Stress“) oder proportional („Stressansteckung“) zu den Stressreaktionen der aktiv gestressten Probanden sein. „Es scheint also eine Möglichkeit der Übertragung zu geben, die abhängig vom Empfinden anderer eine Stressantwort bei uns auslöst.“

Beim Stresstest mussten die Probanden mit schwierigen Kopfrechenaufgaben und Vorstellungsgesprächen kämpfen, während zwei vermeintliche Verhaltensanalysten ihre Leistung beurteilten. Nur fünf Prozent der direkt gestressten Probanden ließen sich nicht aus der Ruhe bringen, alle anderen zeigten eine physiologisch bedeutsame Erhöhung des Kortisol-Spiegels.

Insgesamt zeigten 26 Prozent Beobachter, die selbst keinerlei Stress ausgesetzt waren, einen physiologisch bedeutsamen Anstieg von Kortisol. Der Effekt war besonders stark, wenn Beobachter und gestresste Person eine partnerschaftliche Beziehung verband (40 Prozent), aber auch bei völlig fremden Menschen sprang der Stress immerhin noch auf zehn Prozent der Beobachter über. Emotionale Verbundenheit ist demzufolge keine Voraussetzung für empathischen Stress.

Konnten die Beobachter das Geschehen direkt verfolgen, reagierten 30 Prozent gestresst. Aber selbst wenn der Stresstest nur auf dem Bildschirm flimmerte, reichte das aus, um bei 24 Prozent der Beobachter die Kortisol-Spiegel in die Höhe zu treiben. „Das bedeutet, dass selbst Fernsehsendungen, die mich mit dem Leid anderer konfrontieren, den Stress auf mich übertragen können“, sagt Engert. „Stress hat ein enormes Ansteckungspotential.“

Ein Problem ist Stress vor allem dann, wenn er chronisch wird. „Eine hormonelle Stressreaktion hat evolutionär natürlich auch einen Sinn. Wenn sie einer Gefahr ausgesetzt sind, dann wollen sie auch, dass ihr Körper mit einem Anstieg des Stresshormons reagiert“, erklärt Engert. „Aber konstant erhöhte Kortisol-Werte sind nicht gut. Auf Dauer leiden darunter z.B. das Immunsystem und die Nervenzellen.“ Von potenziell schädlichen Konsequenzen empathischen Stresses sind daher besonders Menschen in Helferberufen oder Angehörige dauergestresster Personen betroffen. Wer ständig direkt mit dem Leid und Stress anderer konfrontiert wird, der hat ein erhöhtes Risiko auch selbst darunter zu leiden.

Mit einem anderen Vorurteil räumen die Ergebnisse hingegen auf: Männer und Frauen reagierten gleich häufig mit empathischem Stress. „Auf Fragebögen schätzen Frauen sich als empathischer ein, als Männer dies tun. Bisher konnte das jedoch noch in keinem Experiment, das objektive biologische Marker verwendete, nachgewiesen werden.“ Zukünftige Studien sollen zeigen, wie genau der Stress übertragen wird und was getan werden kann, um den negativen Einfluss von Stress auf die Gesellschaft zu verringern.

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Originalpublikation:
Engert, V., Plessow, F., Miller, R., Kirschbaum, C., & Singer, T.
Cortisol increase in empathic stress is modulated by social closeness and observation modality.
Psychoneuroendocrinology, 17. April 2014

Dr. Veronika Engert
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig
Telefon: +49 341 9940-2684
E-Mail:engert@cbs.mpg.de

Die Folgen des Fremdgehens

Die evolutionären Folgen von Fremdgehen

Männchen und Weibchen von Blaumeisen sind für das menschliche Auge kaum unterscheidbar. Im für Vögel sichtbaren UV-Bereich sind die Männchen jedoch viel bunter. Auch ihr monogames Paarungssystem ist nicht das, was es verspricht: In jedem zweiten Nest sind Küken, die nicht vom fürsorgenden Vater stammen. Ein Männchen kann durch Fremdgehen die Anzahl seiner Nachkommen erhöhen. Emmi Schlicht und Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen untersuchten, ob außereheliche Paarungen treibende Kraft für die Evolution von Geschlechtsunterschieden sein können. Die Folgen sind jedoch gering, Fremdgehen kann die sexuelle Selektion von Geschlechtsunterschieden sogar verringern.

Bei vielen Tierarten sehen Männchen und Weibchen sehr unterschiedlich aus. Männliche Hirsche zum Beispiel haben ein imposantes Geweih, und das Prachtgefieder des Pfauhahnes beeindruckt nicht nur Pfauenhennen. Im Garten können wir bei Buchfink oder Hausspatz „ihn” an der Färbung von Brust und Kopf erkennen. Wieso gibt es diese Geschlechtsunterschiede? Beim Hirsch ist das prinzipiell einfach: Ein Männchen verteidigt Weibchen und Revier gegen Rivalen und muss im Ernstfall sein Geweih einsetzen, wenn es zu Streitigkeiten kommt. Auch der Pfau versucht mit seinem Gefieder Rivalen auszustechen und Weibchen anzulocken. Die Geschlechtsmerkmale lohnen sich für die Männchen, weil sie ihnen helfen, sich zusätzliche Nachkommen zu sichern. Für Weibchen ist solche sexuelle Selektion schwächer, denn sie bekommen keine zusätzlichen Nachkommen, wenn sie sich gegenüber Rivalinnen durchsetzen.

Viele Vogelarten aber stellen Evolutionsbiologen vor ein Problem: Sie sind in der Regel mit einem Partner des anderen Geschlechts fest verbandelt, leben also monogam. Die Nachkommen werden von den Eltern gemeinsam aufgezogen. Warum also das bunte Gefieder nur bei Männchen, wenn die Anzahl der Nachkommen für beide Eltern gleichermaßen durch das Gelege des Weibchens festgelegt ist? Führt man Vaterschaftsanalysen bei den Vögeln durch, stellt man fest, dass die Nachkommen nicht alle von dem Männchen stammen, das sie füttert. Ein monogames Männchen kann also durchaus zusätzliche Nachkommen haben, wenn es ihm gelingt, ein paar Eier bei anderen Weibchen zu ergattern. Ist das der Schlüssel zu den Geschlechtsunterschieden im Aussehen?

Eine Studie an Blaumeisen hat sich mit den Grundlagen dieser Frage beschäftigt. Emmi Schlicht und Bart Kempenaers vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben Daten aus sechs Jahren Forschungsarbeit herangezogen, um verschiedene Aspekte des Paarungssystems der Blaumeisen unter die Lupe zu nehmen. Es zeigte sich: Die sozialen Bindungen scheinen ausschlaggebend zu sein, während die außerpaarlichen Verbindungen zwar von Vorteil sind, keinesfalls aber der sexuellen Selektion zu großen Sprüngen verhelfen. „Blaumeisenmännchen bekommen die meisten Nachkommen zusammen mit dem Brutpartner; ein Gelege umfasst im Durchschnitt neun Eier. Manche Männchen können sich sogar zwei Weibchen als soziale Partner sichern“, sagt Bart Kempenaers, Leiter der Studie. „Da können ein, zwei Nachkommen mit anderen, fremd verpaarten Weibchen nicht mithalten“. Die Merkmale der untersuchten Männchen sind vermutlich also darauf optimiert, im sozialen Bereich den Erfolg zu sichern und erst danach noch zusätzliche Nachkommen außerhalb der Paarbeziehung zu erobern.
Interessanterweise fanden die Wissenschaftler noch einen unerwarteten Effekt der außerpaarlichen Aktivitäten: Bei einer Geschwisteranalyse stellte sich heraus, dass es bis zu 24 Väter pro Jahr in der untersuchten Population gibt, die zu keiner der von den Forschern beobachteten Bruten in Nistkästen gehörten. Wenn diese unbekannten Männchen tatsächlich keine eigene Brut hatten, sind die Küken in fremden Nestern ihre einzigen Nachkommen. Für die unverpaarten Männchen sind also die Nachkommen, die durch Fremdgehen entstehen durchaus entscheidend. „In diesem Fall trägt das außerpaarliche Paarungsverhalten dazu bei, die Unterschiede zwischen Männchen in ihrem Fortpflanzungserfolg zu verringern“, erläutert Emmi Schlicht, Erstautorin der Studie. “Das macht eine Auswahl der „Besten“ weniger effektiv und erschwert es der Evolution, besondere Merkmale bei Männchen zu selektieren, die ihren Paarungserfolg erhöhen“. Fremdgehen kann die sexuelle Selektion von Geschlechtsunterschieden also sogar verlangsamen. (ES/SSP)

Originalveröffentlichung:
Emmi Schlicht and Bart Kempenaers: Effects of social and extra-pair mating on sexual selection in blue tits (Cyanistes caeruleus). Evolution. Online veröffentlicht am 22.03.2013

Kontakt:
Emmi Schlicht
Max-Planck-Institut für Ornithologie (MPIO), Seewiesen
Abteilung Verhaltensökologie und Evolutionäre Genetik
schlicht@orn.mpg.de

Prof. Dr. Bart Kempenaers
MPIO Seewiesen, Abteilung Verhaltensökologie und Evolutionäre Genetik
b.kempenaers@orn.mpg.de

Dr. Sabine Spehn Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Ornithologie MPIO Seewiesen,
pr_seewiesen@orn.mpg.de
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Die Frau zu kurz, der Mann zu früh

Die Frau kommt mehrfach zu kurz, wenn der Mann zu früh kommt

Rund ein Drittel aller Männer leidet unter vorzeitigem Samenerguss. Für die Mehrheit der Frauen ist aber weniger der verkürzte und höhepunktslose Liebesakt frustrierend. Eine Sexualforscherin der Universität Zürich zeigt: Sind Männer zu stark auf die Kontrolle des Samenergusses fokussiert, ignorieren sie die sexuellen Bedürfnisse der Frauen und können nicht auf deren individuellen Wünsche eingehen, was die Partnerschaft erheblich gefährden kann.

Der vorzeitige Samenerguss ist eine der häufigsten Sexualstörungen bei Männern. Unter dieser leiden aber nicht nur Männer, sie führt auch bei Frauen zu einem erhöhten Leidensdruck und Stress, wie die aktuelle Umfrage zeigt, die Andrea Burri, Klinische Psychologin an der Universität Zürich, durchgeführt hat. Rund 40 Prozent der über 1’500 befragten Frauen aus Mexiko, Italien und Südkorea gaben an, dass die Ejakulationskontrolle sehr wichtig für befriedigenden Geschlechtsverkehr sei. Nicht die kurze Zeitdauer des Liebesaktes wird in erster Linie von der Mehrheit der Frauen als Hauptquelle des sexuellen Frustes angesehen, sondern der Umstand, dass der Mann zu stark auf das Hinauszögern des Samenergusses fokussiert ist. Dadurch ignoriert er die sonstigen sexuellen Bedürfnisse der Frau und kann nicht auf ihre individuellen Wünsche eingehen.

Frauen, die selten zum Höhepunkt kommen, leiden mehr Für die Mehrheit der befragten Frauen besteht erfüllende Sexualität nicht nur aus Geschlechtsverkehr, sondern umfasst auch Küssen, Streicheln sowie andere Formen von sexueller Stimulation, die als ebenso wichtig für eine befriedigende Sexualität erachtet werden. Wenn der Mann hauptsächlich mit seinem Problem, dem vorzeitigen Samenerguss und damit seiner Leistung, beschäftigt ist, gehen diese Bedürfnisse unter. Der Geschlechtsverkehr richtet sich zunehmend nach der Zeit und nicht nach dem «wie mögen wir es und was tut uns gut». «Auf Dauer ist die Frau verzweifelt und frustriert. Ähnlich wie der Mann vermeidet auch sie aus Furcht vor einer Zurückweisung und der daraus resultierenden Verletzung der eigenen Sexualität zunehmend den sexuellen Kontakt», erklärt die Sexualforscherin Andrea Burri. Die Frau büsse damit an Lebensqualität ein und stelle letztlich die Partnerschaft in Frage.

Dabei leiden vor allem jene Frauen unter der einseitigen Aufmerksamkeit des Mannes, die nicht den Geschlechtsverkehr als zentralen Aspekt der Sexualität empfinden, sondern eher die sexuelle Kreativität in den Vordergrund stellen. «Interessanterweise ist eine lange Koitusdauer vor allem für die Frauen wichtig, die keine Mühe haben zum Höhepunkt zu kommen», so Andrea Burri. Für jene Frauen, die selten oder gar nie zum Orgasmus kommen, sei die Koitusdauer nicht zentral. Viel mehr diene hier der sexuelle Akt dem Aufbau und Erleben von Intimität und Bindung. Der vorzeitige Samenerguss wird von den Frauen zwar ebenfalls als belastend erlebt, die verkürzte Dauer jedoch als weniger problematisch empfunden als die Unaufmerksamkeit des Partners auf die restlichen sexuellen Bedürfnisse.

Die Umfrage zeigt, dass aufgrund der psychischen Belastung und des angestauten Frusts der Frau eine im Grunde harmonische Beziehung häufig mit einer Trennung endet. Ein Grossteil der Frauen gab an, in früheren Beziehungen mit Partnern, die unter keinem sexuellen Problem litten, bedeutend zufriedener gewesen zu sein. Dies hing hauptsächlich damit zusammen, dass das Problem des vorzeitigen Samenergusses in der aktuellen Beziehung zu stark gewichtet worden sei. Darüber hinaus kam es bei einem Viertel der Umfrageteilnehmerinnen in der Vergangenheit bereits zum Bruch der Partnerschaft aufgrund dieses sexuellen Problems. «Denn die Konsequenzen sind oftmals weitreichender als die blosse sexuelle Unzufriedenheit, da es in Extremfällen eine Bedrohung für den Kinderwunsch bedeutet, wenn der Mann schon vor dem eigentlichen Geschlechtsverkehr ejakuliert», schliesst Andrea Burri.

Vorzeitiger Samenerguss («Ejaculatio Praecox»)

Definition (gemäss American Psychiatric Association)
«Dauerhaft oder wiederkehrend auftretende Ejakulation bei minimaler sexueller Stimulation vor oder kurz nach dem Eindringen in die Vagina und bevor die Person es wünscht»

Häufigkeit
Die Häufigkeit ist definitions- und stichprobenabhängig. Weltweit leiden etwa 30 Prozent der Männer darunter, wobei es starke regionale und geographische Unterschiede gibt.

Wer ist davon betroffen?
Ein vorzeitiger Samenerguss kann bei geschlechtsreifen Männern aller Altersstufen auftreten.

Ursachen
Ein vorzeitiger Samenerguss kann verschiedene Ursachen haben, die bislang nicht hinreichend geklärt worden sind. Neben psychischen und medizinischen Ursachen, beispielsweise einschränkende Sexualerziehung, unrealistische Vorstellung von Sexualität, Versagensangst, Erektionsprobleme, körperliche Erkrankungen, gibt es auch neurophysiologische Gründe wie beispielsweise penile Sensitivität.

Was tun?
Zur Therapie können je nach Ursache physische, medikamentöse oder psychotherapeutische Therapieansätze infrage kommen. Dabei ist es bei der Psychotherapie von Vorteil, wenn sich die Partnerin am Gespräch beteiligt und sich in die Therapie einbezieht.
Link: http://idw-online.de/de/news587882

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Kontakt:
Dr. sc. Andrea Burri
Klinische Psychologie
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 74 97
E-Mail: a.burri@psychologie.uzh.ch

Psychologie – Gibst du mir, gebe ich dir

Die Bereitschaft von Kindern, zu teilen, verrät viel über ihre soziale und kognitive Entwicklung. Erst mit fünf Jahren unterscheiden sie beim Teilen, ob ein anderer mit ihnen befreundet ist oder nicht.

Beim Teilen macht es einen großen Unterschied, ob ein Kind drei, vier oder fünf Jahre alt ist. „Für die Entwicklung unseres sozialen Verhaltens sind die Kindergartenjahre entscheidend“, sagt Professor Markus Paulus von der Fakultät für Psychologie und Pädagogik an der LMU. In einer Studie mit Kindergartenkindern hat er erstmals untersucht, wie sich in der frühen Kindheit die Erwartungen über das Teilen und die eigene Bereitschaft, zu teilen, entwickeln. Darüber berichtet er in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Developmental Psychology.

„Unsere Erwartungen darüber, ob sich jemand sozial verhält, spielen für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen eine große Rolle. Wir passen unser eigenes Verhalten an, je nachdem, ob wir von anderen Hilfe erwarten oder nicht. Doch bislang war wenig darüber bekannt, wie sich diese Erwartungen bei Kindern entwickeln“, sagt Paulus.

Glaube an den guten Willen des Gegenübers

Die Studie wurde in drei Kindergärten im Kreis Landsberg am Lech erhoben. In dem Experiment mit drei-, vier- und fünfjährigen Kindern bekamen die Kinder zwei Aufgaben in einer Art Rollenspiel. Zuerst sollten sie einschätzen, wie sich ein Dritter beim Teilen verhalten würde. In einer zweiten Aufgabe sollten sie selbst Spielzeug teilen. In beiden Aufgaben ging es darum, sowohl mit Menschen zu teilen, die man mochte, als mit solchen, die man weniger mochte.

Dreijährige Kinder machten keinen Unterschied, wer beim Teilen etwas erhielt, ob sie also jemanden bedachten, mit dem sie befreundet oder nicht befreundet waren. Sie verhielten sich meistens sozial und erwarteten dies auch von anderen. „Dreijährige scheinen darauf zu vertrauen, dass sich ihr Gegenüber sozial verhält. Dieses Vertrauen in den guten Willen des Gegenübers könnte die Grundlage dafür sein, dass sie Beziehungen aufbauen können und bereit sind, Hilfe zu holen, wenn es nötig ist. Es könnte auch ein Anzeichen dafür sein, dass sie bereits gelernt haben, welche sozialen Normen das Miteinander bestimmen“, sagt Paulus.

Vier- und Fünfjährige dagegen teilten mehr mit jemandem, den sie mochten, als mit jemandem, den sie nicht mochte. Zugleich erwarteten sie, dass der Gebende beim Teilen darauf achtet, wen er mag oder nicht mag. Doch erst bei den Fünfjährigen gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen der Erwartung, wie andere teilen, und der eigenen Bereitschaft, zu teilen. Die Kinder, die selbst viel teilten, erwarteten auch von anderen, dass sie häufig teilen. „Mit fünf Jahren haben Kinder offenbar gelernt, wie man sich beim Teilen anderen gegenüber verhält. Dies könnte daran liegen, dass sie in diesem Alter bereits die Fähigkeit haben, zu erfassen, wie ein Anderer über eine Situation urteilt und daraufhin handelt“, sagt Paulus. Sie haben offenbar zudem bereits eine klare Vorstellung von Freundschaft erworben und davon, wie man sich als Freund verhält.

Publikation: Markus Paulus; Chris Moore:
The development of recipient-dependent sharing behavior and sharing expectations in preschool children. In: Developmental Psychology, Vol 50(3), Mar 2014, 914-921.
doi: 10.1037/a0034169

Ansprechpartner:  Prof. Dr. Markus Paulus E-Mail: markus.paulus@lmu.de
Tel: 089/2180-5150

Der Artikel stammt von  Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München aus: http://idw-online.de/de/news576194

Stress stört Hormon-Stoffwechsel

Depression, Übergewicht und Libidoverlust drohen  

Stress steigert die Leistungsfähigkeit und hilft dem Körper, Höchstleistungen zu erbringen. Schädlich wird Stress allerdings, wenn er zum Dauerzustand wird. Welche Hormone dabei eine entscheidende Rolle spielen, wie sie eigene Kreisläufe in Gang setzen und wie man die Symptome von chronischem Stress behandeln kann, diskutieren Mediziner auf dem 57. Symposium der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Dresden.

Erhöhte Aufmerksamkeit, ein angeregter Herz-Kreislauf aber auch Herzrasen und feuchte Hände sind Symptome von „normalem“ Stress, die jeder kennt. Sie sind Folge einer erhöhten Aktivität der wichtigsten Stresshormonachse, der sogenannten HPA-Achse. Sie reicht vom Hypothalamus, einem Abschnitt des Zwischenhirns, über die Hirnanhangsdrüse bis zu den Nebennieren und schüttet die Hormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol aus.

Folgt jedoch keine ausreichende Entspannung, kann es durch die dauernde Alarmbereitschaft des Körpers zu chronischem Stress kommen und damit zu einer Erschöpfung und Überlastung. „Und das kann viele schädliche Auswirkungen haben“, sagt Professor Dr. med. Günter Stalla, Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, München, und Sprecher der DGE-Sektion Neuroendokrinologie. Etwa für das Immunsystem, indem die Aktivität der Killerzellen abnimmt. Ein möglicher negativer Effekt auf das kardiovaskuläre System ist die Entstehung von Bluthochdruck. Auch das Nervensystem kann leiden, mit Schlafstörungen und Depressionen als Folge. „Außerdem kommt es bei einer chronisch aktivierten HPA-Achse zu einer Unterdrückung anderer Hormone, wodurch die Fettmasse im Körper zu- und die Muskelmasse abnimmt“, sagt Professor Stalla. Möglich sind auch eine hormonell bedingte Unterfunktion der Hoden und daraus resultierende sexuelle Störungen und ein Nachlassen der Libido, also der Lust auf Sex.

„Durch diese Veränderungen des Hormonsystems, die durcheinander geratenen Regelkreise und die Begleiterkrankungen, entsteht ein sich ständig verstärkender Teufelskreis“, sagt Professor Dr. med. Stefan R. Bornstein, Direktor am Universitätsklinikum Dresden und Tagungspräsident des 57. DGE-Symposiums. „Wie kein anderes medizinisches Fach beschäftigt sich deshalb die Endokrinologie mit dem Thema Stress. Unsere Aufgabe ist es, mehr über die beteiligten Regulationssysteme herauszufinden und dadurch neue Ansatzpunkte für Therapien zu entdecken.“ Professor Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz, Mediensprecher der DGE aus Bochum, ergänzt: „Auch wenn für viele Menschen im Berufsleben zu erbringende Höchstleitungen und permanente Erreichbarkeit zum Alltag gehören, sollte ein jeder aufmerksam auf Anzeichen von Dauerstress achten, für Ausgleich sorgen und gegebenenfalls auch einen Endokrinologen zu Rate ziehen.“

Mögliche Symptome für chronischen Stress sind:

  • Nervosität, Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen, Migräne
  • Depressionen
  • Hörsturz, Tinnitus
  • höhere Anfälligkeit für Infektionskrankheiten
  • Zunahme von bösartigen Krankheiten
  • verzögerte Wundheilung
  • Bluthochdruck
  • höheres Herzinfarktrisiko
  • Zunahme der Fett- und Abnahme der Muskelmasse
  • sexuelle Störungen

Mögliche Mittel gegen chronischen Stress:

  • „Entschleunigen“, sich weniger vornehmen
  • Entspannungsübungen
  • ausreichende Bewegung, Sport (zum Beispiel Laufen, Radfahren, Schwimmen, Gymnastik)
  • Hobbys und soziale Kontakte pflegen
  • Musik hören, Lesen
  • gesunde Ernährung
  • Aufputsch- und Suchtmittel meiden
  • genügend Schlaf

Der Artikel stammt aus: psychologie-aktuell.com http://www.psychologie-aktuell.com/news/aktuelle-news-psychologie/news-lesen/article/2014/03/17/1395058371-chronischer-stress-stoert-hormon-stoffwechsel.html

Die Berechenbarkeit sozialer Kontakte

Pro Tag haben wir mit durchschnittlich acht Menschen intensiveren Kontakt – durch persönliche Treffen, per Mail oder auch Telefon. Forscher des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der University of Nebraska in Lincoln untersuchten unser Kontaktverhalten auf Gesetzmäßigkeiten. Sie fragten sich: Welche Faktoren beeinflussen die Wahrscheinlichkeit eines Kontakts zwischen zwei sich bekannten Menschen? Und lässt sich vorhersagen, wen wir wann wiedertreffen? Für die Studie führten Probanden 100 Tage lang Tagebuch über alle ihre sozialen Interaktionen. Die Ergebnisse offenbaren systematische Strukturen in unserer sozialen Welt.

Morgens die Besprechung mit dem potenziellen Kunden, am späten Nachmittag dann der Geburtstagkaffee bei der Großtante und abends die wöchentliche Kinoverabredung mit dem besten Freund. Wir alle leben in einer komplexen Welt mit einem komplexen sozialen Netzwerk. Dazu zählen unter anderem Freunde, Partner, Familie, Nachbarn und Kollegen. Interessanterweise scheinen unsere Kontakte zu diesen Personen systematischen Dynamiken und Regelmäßigkeiten zu unterliegen. Dies fanden Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und der University of Nebraska in Lincoln heraus. Anhand des Musters vergangener Kontakte ist demnach gut vorhersagbar, wie wahrscheinlich es ist, dass wir mit einer bestimmten Person aus unserem sozialen Netzwerk an einem bestimmten Tag Kontakt haben werden.

In der Studie zeigte sich, dass diese Wahrscheinlichkeit einer Interaktion von bestimmten Faktoren beeinflusst wird. Insbesondere sind die Häufigkeit vergangener Kontakte und der Abstand zum letzten Kontakt wichtig: Wenn man jemanden häufig oder aber erst vor kurzem gesehen hat, ist ein baldiger erneuter Kontakt wahrscheinlich. Zudem spielt die Regelmäßigkeit vergangener Kontakte mit der Person eine Rolle. So sinkt die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Kontakts mit zunehmendem Abstand zum letzten schneller, wenn die vorherigen Kontakte nicht regelmäßig, sondern eher gehäuft innerhalb eines kurzen Zeitraums stattfanden — wie beispielsweise beim Zusammentreffen mit der Familie zu bestimmten Festtagen oder mit internationalen Kollegen auf Konferenzen. Diese Gesetzmäßigkeiten scheinen für persönliche Treffen ähnlich zu gelten wie für Kontakte über elektronische Medien.

Für ihre Untersuchungen ließen die Wissenschaftler 40 Probanden über einen Zeitraum von 100 aufeinander folgenden Tagen alle Kontakte mit einer Dauer von mindestens fünf Minuten in einem Tagebuch dokumentieren. Ebenso wurde aufgezeichnet, mit wem der Kontakt bestand und wie er stattfand – ob per Telefon, E-Mail oder durch ein Treffen. Außerdem notierten die Probanden, wer den Kontakt initiierte.

Die Auswertung der Forscher zeigt, dass die Probanden über den Zeitraum im Schnitt mit rund 77 verschiedenen Personen in intensiveren Kontakt standen – mit durchschnittlich acht davon pro Tag. „Die Kenntnis über frühere Begegnungen einer Person erlaubt es, zu berechnen, ob eine zukünftige Begegnung wahrscheinlich oder eher unwahrscheinlich ist“, sagt Thorsten Pachur, Erstautor der Studie und Wissenschaftler am Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.

Die Ergebnisse der Forscher geben Einblicke in die Gesetzmäßigkeiten einer scheinbar komplexen sozialen Umwelt. Interessanterweise scheinen ähnliche Gesetzmäßigkeiten auch bei Gedächtnisprozessen zu gelten. Beispielsweise werden jene Informationen, die erst vor kurzem das letzte Mal abgerufen wurden, mit höherer Wahrscheinlichkeit erinnert. Das Gedächtnis könnte somit auch zur Vorhersage zukünftiger sozialer Interaktionen verwendet werden. Dafür kann es nützlich sein, zuvor zu prüfen, wie rasch man Informationen über diese Person erinnern kann: Ist diese Person sehr präsent in unserem Gedächtnis, so ist ein baldiger erneuter Kontakt wahrscheinlich. Ganz nach dem Motto: Wir sehen uns wieder.

Der Artikel stammt von Kerstin Skork  aus: http://idw-online.de/de/news578248